Gedenkorte in der Umgebung der Schule zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus

Gedenken an die Opfer der NS–Herrschaft am 27.1.2021
Grundkurs Geschichte (2020/21 Haehn)

Das Hermann-Ehlers-Gymnasium hat in den letzten Jahren der Opfer des Nationalsozialismus am 27.Januar mit einer zentralen Veranstaltung in der Schulaula gedacht. Seit 1996 ist der 27. Januar der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Das Datum erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch sowjetische Truppen kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges.

Indem wir der Verfolgten und Ermordeten gedenken, wollen wir verhindern, dass ihr Leben endgültig vernichtet wird durch Vergessen. In Steglitz haben 1933 mehr als 3000 Juden gelebt, 1945 waren es nur noch 150.
In diesem Jahr ist eine Veranstaltung in der Aula aufgrund der geltenden Hygienebestimmungen nicht möglich. Der Grundkurs Geschichte (3. Semester 2020/21) lädt Sie/Euch deshalb ein, Erinnerungsorte in der Umgebung der Schule zu besuchen – am 27. Januar oder auch zu einem späteren Zeitpunkt. Zu sehen sind dabei Stolpersteine, eine Gedenktafel für die Widerstandsgruppe „Onkel Emil“, die Spiegelwand auf dem Hermann-Ehlers-Platz und eine Synagoge, die auf dem Hof eines Geschäftshauses auf diesem Platz steht.  

1 Die Spiegelwand auf dem Hermann-Ehlers-Platz
am 9. November 2020

Spiegelwand – Hermann-Ehlers-Platz
Auf dem Hermann-Ehlers-Platz in Berlin-Steglitz erinnert eine mit Spiegeln verkleidete, beschriftete Gedenkwand an die Deportationen von Steglitzer Juden. Viele Transporte endeten in den Gettos Theresienstadt, Minsk, Riga, Kaunas und Lodz. Ab Juli 1942 endeten sie direkt in Ausschwitz-Birkenau und anderen Vernichtungslagern.


Synagoge – Hermann-Ehlers-Platz
Auf dem Hermann-Ehlers-Platz befindet sich auch eine ehemalige Synagoge. 1897 hatte der jüdische Textilkaufmann Moses Wolfenstein im Hinterhof seines Wohn- und Geschäftshauses eine Remise zu einer Synagoge umbauen lassen. Dort fanden Gottesdienste, Hochzeiten, Beschneidungen, religiöse und kulturelle Veranstaltungen sowie Religionsunterricht für jüdische Kinder statt. Am 9. November 1938 verwüsteten und plünderten SA-Angehörige das Gebäude. Um benachbarte Häuser nicht zu gefährden, wurde die Synagoge jedoch nicht in Brand gesetzt.

2 Die ehemalige Synagoge/Hermann-Ehlers-Platz
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3 Das Eingangsportal zur Synagoge

Man kann sie heute von außen besichtigen, indem man im Optikergeschäft auf dem Hermann -Ehlers-Platz um Einlass in den Hinterhof bittet.






Alessia Zander, Emilie Mathenge, Efecan Özkececi

Erich Tank, Steglitzer Damm 1
Am 10.10.2014 wurde am Steglitzer Damm 1 ein Stolperstein für den erhängten Deserteur Erich Tank verlegt.  
An diesem Ort war Erich Tank am 22. April 1945 erhängt aufgefunden worden. Die Tat erfolgte auf Anordnung der NSDAP-Kreisleitung. Nach der Abnahme lag der Leichnam noch einige Tage im Rinnstein.

4 Stolperstein für Erich Tank

Ein Zeitzeuge, Florian Kraus, schreibt dazu:
“Ich habe den toten Soldaten damals noch tagelang an der Ecke Lauenburger/Albrechtstraße liegen sehen (heute: Steglitzer Damm 1, direkt vor dem Lokal Parthenon). Vorher hing er an einem Baum mit einem Schild vor der Brust, auf dem stand: ‚Ich war zu feige für Frau und Kind zu kämpfen.‘ Selbst mir als damals kleinem Jungen erschien das Ganze gruselig. Erst heute kann man den ganzen Irrsinn voll ermessen, der sich damals in den letzten Kriegstagen abgespielt hat.”


5 Stolperstein für Marianne Kaiser

Nadine Scholz, Evita Knies

Marianne Kaiser – Albrechtstraße 38
Marianne Kaiser, geboren am 17. März 1863 in Lohnau/ Schlesien, war verheiratet mit Max Kaiser, der ein Konfektionshaus in Berlin führte. Nach dem Tod ihres Mannes führte sie das Konfektionshaus weiter. Sie wohnte seit 1934 in der Albrechtstraße 38.

Am 14. September 1942 wurde Marianne Kaiser nach Theresienstadt deportiert und dort am 13. Juli 1943 ermordet.


6 Stolperstein für Hertha Lewy

Hertha Lewy  – Albrechtstraße 38
Hertha Lewy wohnte mit ihrem Mann Max Moritz Lewy in der Albrechtstraße 38; dorthin waren sie zur Mutter von Hertha Lewy, die Marianne Kaiser hieß, im Jahr 1938 gezogen. Hertha Lewy wurde wie ihr Mann zur Zwangsarbeit verpflichtet im Werk Borsigwalde der Deutschen Waffen und Munitionsfabriken AG. Mit dem „23. Osttransport“ vom 9. Dezember 1942 wurden Hertha und ihr Mann nach Auschwitz deportiert. Das Todesdatum von Hertha Lewy ist nicht bekannt.

7 Stolperstein Max Lewy


Max Lewy – Albrechtstraße 38
Max Moritz Lewy, geboren am 21. November 1893 in Berlin, lebte mit seiner Frau und seiner Schwiegermutter in der Albrechtstrasse 38. Max Lewy starb am 3. Januar 1943 in Auschwitz.



8 Stolperstein für Rosalie Herbst

Rosalie Herbst – Albrechtstrasse 38
Rosalie Herbst am 17. April 1868 in eine jüdische Familie geboren, führte bis 1931 vermutlich einen Laden in der Lichterfelder Knesebeckstrasse 10. Sie wohnte bei Familie Blumenthal in der Albrechtstrasse 38.

Am 14. September 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Am 24. Januar 1943 wurde sie ermordet.



9 Stolperstein Mathilde Levy

Paul Holländer, Serafim Zeleni, Leon Govor

Mathilde Levy – Bismarckstraße 47
Mathilde Levy, geboren am 26.11.1893 in Jülich, war verheiratet mit Sally Levy. Ihr Sohn Walter wurde 1927 geboren. Mathilde Levy musste in Berlin Zwangsarbeit leisten und wurde am 9.12.1942 nach Auschwitz deportiert.





10 Stolperstein – Sally Levy

Sally Levy   – Bismarckstraße 47
Sally Levy war mit Mathilde Levy verheiratet. Er war Textilkaufmann und betrieb ein Kaufhaus in der Steglitzer Albrechtstraße. Sally Levy wurde eine Woche nach seiner Frau am 16. Dezember 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dort starb er am 13. Februar 1944.

Der Sohn von Mathilde und Sally Levy, Walter Levy, konnte im Frühjahr 1939 nach Palästina auswandern. Die Ausreise war über die zionistische Jugend-Alijah organisiert worden. Er kehrte 1957 nach Berlin zurück. Bei der Stolpersteinverlegung für seine Eltern am 10.6.2009 war er anwesend und hielt eine Ansprache, die mit folgenden Worten begann:

„Liebe Freunde, liebe Mitbürger
Wir stehen hier vor den Steinen zum Andenken an zwei wundervolle Menschen: Mathilde und Sally Levy, meine sehr geliebten Eltern, und deren grauenhaftes Schicksal, vor dem sie mich, damals 12-jährig, bewahrt haben. Genau vor 70 Jahren betrieben sie mit Hilfe der Kinder-Alijah (Einwanderung nach Israel) und der Schule meine Auswanderung ins gelobte Land – nicht wissend, vielleicht aber ahnend, dass sie damit mein Leben retten und ihr eigenes verlieren werden, und zwar auf grausamste Art und Weise, die kein Mensch niemals sich vorstellen konnte: Meine liebe Mutter wurde in Auschwitz vergast und mein Vater ist in Theresienstadt verhungert!“11

Leonie Wabra, Diana Schulz

Johanna Loschinski – Stirnerstraße 1
Johanna Lewin wurde am 21. Februar 1869 als Tochter jüdischer Eltern in Polen geboren. 1899 heiratete sie Samuel Loschinski; sie hatten sechs Kinder. Als Samuel Loschinski 1939 starb, zog Johanna nach Berlin–Steglitz zu ihrer Tochter Ruth Fabian und zu ihrer Enkelin Margot Fabian in die Stirnerstrasse 1. Sie wurde am 3. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 10. November 1942 ermordet.
Nur ein Kind von Johanna Loschinski überlebte die Shoah: Ihr Sohn Peter konnte während des Nationalsozialismus in Berlin untertauchen.

Ruth Kantor Fabian – Stirnerstrasse 1
Ruth, eine Tochter von Johanna Loschinski wurde 1908 in Rudewitz/Posen geboren und war das jüngste Kind der Familie. Sie zog nach Berlin und heiratete 1934 Hans Fabian. Ein Jahr später kam in Steglitz die Tochter Margit auf die Welt. Hans Fabian starb 1937, zwei Jahre nach der Geburt seiner Tochter. Ruth wurde zusammen mit ihrer Tochter am 2.3.1943 nach Ausschwitz deportiert und ermordet.

Margit Fabian – Stirnerstraße 1
Margit Fabian wurde 1935 als Tochter von Ruth Fabian geboren und lebte gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Onkel Ernst und ihrer Großmutter Johanna in Steglitz. Zuletzt besuchte sie die jüdische Schule in der Nähe vom Alexanderplatz. Margit war gerade einmal acht Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter am 2.3.1943 nach Ausschwitz deportiert wurde.

12 Die Stolpersteine von Johanna Loschinski, Margit Fabian, Ruth Kantor Fabian am 9.11.2020


Anastasios Dagalakis, Lucca Bartocha, Lukas Nickolaus, Jonas Pytel, Lars Höhl und Paul Jacob

13 Johanna Perez

Johanna Perez – Hünensteig 14
Johanna Perez, geborene Bender, wurde am 16.01.1888 in Berlin geboren. Sie war evangelischen Glaubens und heiratete gegen den Willen ihrer Familie Rafael Perez, der jüdischen Glaubens war. Sie konnte 1939 mit ihrem Mann nach England ausreisen. Nach dem Tod ihres Mannes 1967 zog sie zu ihrem Sohn Heinz nach Israel, wo sie 1971 starb.





14 Rafael Perez

Rafael Perez – Hünensteig 14
Rafael Perez wurde 10.05.1890 in Plowdiv/Bulgarien geboren. Er erblindete mit acht Jahren. Um ihn zu fördern wurde er von der jüdischen Gemeinde in das Blindenheim nach Jerusalem geschickt, wo er eine Lehre als Bürstenmacher begann. Weil er sehr musikalisch war, gab er die Lehre auf und studierte Musik. Er ging nach Berlin, wohnte im Jüdischen Blindenheim in Steglitz und setzte das Studium am Sternschen Konservatorium fort. Daneben wurde er zum Klavierstimmer ausgebildet, damit konnte er seinen Lebensunterhalt verdienen. Er sang auch im  Synagogenchor der Pestalozzistraße. Bei einem Konzert des Chores lernte er seine spätere Frau Johanna kennen, sie heirateten 1919. 1920 wurde ihr Sohn Heinz geboren. Rafael und Johanna Perez konnten 1939 nach England ausreisen. Rafael Perez starb 1967.

15 Heinz Perez

Heinz Perez – Hünensteig 14
Heinz Perez kam am 19. Juli 1920 in Berlin als Sohn von Rafael und Johanna Perez zur Welt. Nach 1933 musste er das Paulsen – Gymnasium in Steglitz verlassen. Er absolvierte eine Tischlerausbildung und konnte im Oktober 1938 durch Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugend-Alija in Berlin nach Palästina emigrieren.
Weil Heinz wie sein Vater hochmusikalisch war, trat er in Israel gelegentlich als Amateursänger auf. Bei einem solchen Auftritt verliebte sich Alice Tichauer, eine Jüdin aus Breslau, in Heinz. Sie heirateten und gründeten eine Familie. Da Heinz bereits von seinem Vater Klavierstimmen gelernt hatte, konnte er mit der Zeit seine Tätigkeit als Tischler einstellen und sich ganz diesem Beruf widmen. Er starb 2010 mit 90 Jahren.

Jason Monsé, Danilo Promeß

„Onkel Emil“   Hünensteig 6
Hünensteig 6 in Berlin-Steglitz – hier entstand die Widerstandsgruppe „Onkel Emil“ nach der Reichspogromnacht vom 9.11.1938. Die Gruppe half  Juden, die sich im Untergrund versteckten. Zu der Gruppe gehörten die Journalistin Ruth Andreas-Friedrich, Dirigent Leo Borchard (mit dem Ruth zusammenlebte), das Ehepaar Christiane und Fritz von Bergmann, Jurist Günther Brandt, Facharzt Walter Seitz, der den Decknamen „Onkel Emil“ bekam, sowie der Schauspieler und Dichter Alfred Denger und noch einige weitere.

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19 Die Gedenktafel am Hühnensteig 16

„Onkel Emil“ war eine eher kleine Widerstandsgruppe des Nationalsozialismus. Ihre Mitglieder fälschten Pässe für Verfolgte, beschrieben Wände mit Widerstandsparolen und halfen untergetauchten Juden, besorgten illegal Lebensmittelkarten, um sie an die Verfolgten zu verteilen. Die Ärzte der Gruppe versorgten die alten und kranken Juden.

Eine der etwas öffentlicheren Aktionen, an der „Onkel Emil“ mitwirkte, war die Nein-Aktion vom 18.04.1945, bei der die Mitglieder der Gruppe nachts mit Kreide und Farbe „Nein“ auf Straßen und Wände schrieb.

Anna-Lena Kretzschmer, Chantal Choudary

20 Stolperstein Adele Bendheim

Adele Bendheim – Steinstraße 4
Adele Bendheim wurde am 07.05.1862 in Görlitz, Schlesien, geboren. Sie arbeitete in Berlin als Klavierlehrerin, war verheiratet mit Julius Bendheim und hatte zwei Töchter: Margarete und Erna. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1921 zog sie zu ihrer Tochter Erna und ihrem Schwiegersohn in die Steinstrasse 4. Am 27.08.1942 wurde Adele Bendheim aus der Steinstraße 4 abgeholt und nach Theresienstadt deportiert und am 2.10.1942 ermordet.


21 Stolperstein Margarete Bendheim

Margarete Bendheim – Steinstraße 4
Margarete Bendheim, eine der beiden Töchter von Adele und Julius Bendheim, wurde am 6. April 1894 geboren. Sie arbeitete im Jüdischen Krankenhaus. Margarete Bendheim wurde am 29. November 1942 zusammen mit ihrer Schwägerin Recha Marcus nach Auschwitz deportiert und dort am 15. Dezember 1942 ermordet.

22 Stolperstein für Recha Marcus

Recha Marcus – Steinstraße 4
Recha Marcus wurde am 15. Februar 1883 geboren. Sie wohnte bei ihrem Bruder, dem Apotheker Arnold Marcus, in dessen Haus in der Steinstraße 4. In dem Haus, in dem auch die Bendheims lebten. Am 29. November 1942 wurde sie zusammen mit Margarete Bendheim nach Auschwitz deportiert.

Anna Tayts, Sema Asioglu, Yoonji Lee